Bundesratsbericht zu pflegenden Angehörigen stärkt das System und nimmt alle Akteure in die Pflicht

Der Bundesrat hat seinen Bericht zur Pflege durch pflegende Angehörige veröffentlicht und zentrale Empfehlungen für Kantone, Versicherer und Leistungserbringer formuliert. Ziel ist es, Qualität und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen – und zugleich die wichtigen Beiträge pflegender Angehöriger anzuerkennen. Für uns bei Carela ist der Bericht ein wichtiges Signal: Es braucht kein neues Gesetz, aber eine konsequentere Anwendung der bestehenden Instrumente und klare Verantwortungsübernahme durch alle Beteiligten – in ihren jeweiligen Kompetenzbereichen.

Die wichtigste Botschaft vorab: Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Angehörigenpflege einen wesentlichen Beitrag an die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in der Schweiz leistet. Obwohl sie sichtbare Mehrkosten für Sozialversicherungen, Kantone und Gemeinden mit sich bringt, würden die Gesamtkosten wesentlich höher ausfallen, wenn die Pflege vollständig formalisiert – also durch nicht verwandte Pflegepersonen oder in Heimen – erbracht würde. Azra Karabegovic, Co-Geschäftsführerin und Leitung Pflege, freut sich: «Endlich wird bestätigt, was in jüngster Zeit oft missverstanden wurde: Angehörigenpflege ist nicht nur für die Familie, sondern auch volkswirtschaftlich relevant – gerade mit Blick auf den demografischen Wandel.»

Restkostenfinanzierung: Faktenbasierte Verantwortung

Die Finanzierung ist einer der Brennpunkte der Angehörigenpflege. Wie alle ambulanten Pflegeleistungen setzt sie sich aus Krankenkassenleistungen, Patientenbeteiligung und den Restkosten der Gemeinden zusammen. Oft wird kritisiert, Angehörigenpflege verursache weniger Aufwand und die gängigen Restkosten würden so zu einer Überentschädigung führen.

Der Bundesrat betont jedoch, dass die heutige Finanzierung über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) grundsätzlich funktioniert. Eine Anpassung der OKP-Beiträge für pflegende Angehörige sei nicht angezeigt – gleiche Leistung, gleiche Vergütung gemäss KLV.  

Bei den Restkosten legt der Bundesrat den Fokus klar auf faktenbasierte Transparenz: Kantone sollen die Leistungen und Kosten von pflegenden Angehörigen separat und schweizweit einheitlich erfassen sowie Kostenrechnungen einfordern, um Wirtschaftlichkeit und Nachvollziehbarkeit sicherzustellen. Sofern angezeigt, sollen die Restkosten gekürzt werden.

Nadine Lüdecke, Co-Geschäftsführerin bei Carela, betont: «Die Restkostenfinanzierung muss auf objektiven Daten beruhen – nicht auf Annahmen, wie das derzeit leider teils der Fall ist. Nur so lassen sich sachgerechte Vergütungen und faire Rahmenbedingungen gewährleisten.»

Kurspflicht: Qualität ja – aber mit Augenmass

Die Qualität der Pflege ist nicht verhandelbar. Obwohl das Bundesgericht 2019 entschieden hat, dass pflegende Angehörige keine formelle Pflegeausbildung benötigen, empfiehlt der Bundesrat im Bericht eine Mindestqualifikation – etwa einen Kurs in Pflegehilfe. Verbände der Leistungserbringer und Versicherer sollen entsprechende Vorgaben im nationalen Qualitätsvertrag festlegen.

Aus Sicht von Carela braucht es hier Augenmass. Azra Karabegovic erklärt: «Qualität und Sicherheit stehen ausser Frage. Doch eine starre Kursvorgabe kann die Flexibilität und Selbstbestimmung der Familien beeinträchtigen. Vor allem, wenn Angehörige bereits Erfahrung haben oder eng durch Pflegefachpersonen begleitet werden, ist ein Kurs ein bürokratisches Hindernis mit begrenztem Mehrwert.»

Spitexorganisationen tragen die Verantwortung, dass Angehörige fachlich gut unterstützt werden. «Eine einheitliche Kursvorgabe ist aus unserer Sicht kein Garant für Qualität. Qualität entsteht durch Begleitung, nicht durch Pflichtformulare.», so Karabegovic weiter. Bei Carela gibt es derzeit keine Kurspflicht.

Schadenminderungs- und Beistandspflicht: Keine Grundlage für Pauschalkürzungen

Die Abgrenzung zwischen bezahlter Pflege und unentgeltlicher familiärer Unterstützung ist eine Gratwanderung. Grundsätzlich gilt, dass Leistungen, die im Rahmen der Schadenminderungs- und Beistandspflicht zumutbar sind, nicht über die OKP abgerechnet werden können. Wichtig ist hierbei: Die systematisierte Bedarfsabklärung (mittels interRai HC), die von einer diplomierten Pflegefachpersondurch geführt wird, berücksichtigt das Umfeld der pflegebedürftigen Person. Damit wird der zumutbaren Mithilfe bereits Rechnung getragen.

Nadine Lüdecke betont: «Pauschale Kürzungen durch Versicherer, wie sie leider vorkommen, sind nicht gerechtfertigt. Was im Einzelfall zumutbar ist, hängt von vielen Faktoren ab und darf nicht schematisch festgelegt werden. Auch der Bundesrat ist hier klar: Wir als Leistungserbringer sind verpflichtet, die individuelle Situation in die Bedarfsabklärung mit einfliessen zu lassen.»  

Carela hat bereits im renommierten Magazin «Pflegerecht» die derzeit uneinheitliche Praxis, die Widersprüche und die damit einhergehende fachliche Problematik zur Schadenminderungs- und Beistandspflicht beleuchtet: Zum Artikel im Magazin Pflegerecht

Ein klares Bekenntnis zum Miteinander

Der Bericht des Bundesrates ist ein klares Bekenntnis zum Modell der angestellten pflegenden Angehörigen. Er würdigt ihren Beitrag zur Gesundheitsversorgung und stärkt die Rahmenbedingungen für Qualität und Wirtschaftlichkeit.

Der Ball liegt nun bei den einzelnen Akteuren. Die Kantone müssen ihre Steuerungsfunktion wahrnehmen, die Versicherer ihre Kontrollaufgaben und wir als Spitex-Organisationen unsere Verantwortung für eine qualitativ hochstehende Pflege. Wir sind überzeugt, dass wir auf diesem Weg die Pflege zu Hause weiter stärken und eine wertvolle Entlastung für Familien schaffen können.

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