Tipps im Umgang mit Demenz: Pflegeheim oder Pflege zu Hause?
Demenz bezeichnet einen Sammelbegriff für über 100 Erkrankungen, die bei fortgeschrittenem Stadium vor allem die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigen und zu Gedächtnisverlust, Sprachstörungen und Desorientierung führen. Die finanziellen Aufwendungen sind beträchtlich: In der Schweiz können sich die jährlichen Gesamtkosten pro Patient:in auf über 30 000 Franken belaufen, wobei ein grosser Teil auf die häusliche Pflege entfällt. Eine frühzeitige Pflegeplanung ermöglicht es, Kosten aufzufangen und Versorgungsformen wie Pflege zu Hause oder den Umzug in ein Pflegeheim frühzeitig abzuwägen. Die private Betreuung und Pflege zuhause ist hierbei für die meisten Betroffenen die präferierte Variante. Im Interview gibt Michèle Brunner, diplomierte Pflegefachfrau HF bei Carela, pflegenden Angehörigen von Personen mit Demenz Orientierungshilfe für den Umgang mit kritischen Situationen und stellt praktische Tipps für den Pflegealltag vor.
Frau Brunner, wie charakterisieren sich Menschen mit Demenz?
Menschen mit Demenz sind oft noch dieselben Menschen wie zuvor – und doch verändert sich durch die Krankheit das Verhalten der Personen. Demenz betrifft das Gedächtnis, die Sprache und die Orientierung. Menschen mit Demenz erleben häufig Verunsicherung, Angst, manchmal auch Misstrauen. Für das Umfeld ist es wichtig zu verstehen: Diese Reaktionen sind keine Böswilligkeit, sondern Ausdruck eines schwindenden Weltverständnisses.
Welche Grundpflegeleistungen übernehmen pflegende Angehörige von Personen mit Demenz?
Angehörige übernehmen in der Regel sehr viel mehr, als von aussen sichtbar ist. Neben Hilfe bei der Körperpflege – also Waschen, Zähneputzen, Ankleiden – kümmern sie sich auch um die Nahrungsaufnahme, Toilettengänge oder die Medikamenteneinnahme. Oft begleiten pflegende Angehörige die betroffene Person rund um die Uhr. Was aber viele nicht wissen: Angehörige leisten auch kognitive und emotionale Pflege. Sie erinnern, beruhigen, strukturieren den Tag und fangen Unsicherheiten auf.
Was muss bei der Grundpflege von Personen mit Demenz besonders beachtet werden?
Bei der Grundpflege von Menschen mit Demenz steht der einfühlsame Umgang im Vordergrund. Es ist wichtig, mit klaren, ruhigen Anweisungen zu arbeiten, sich auf das Tempo der betroffenen Person einzulassen und auf ihre Reaktionen zu achten. Hektik oder viele Reize können zu Verwirrung oder sogar Angst führen. Zusammenhänge im Verhalten der Betroffenen und deren emotionaler Welt zu erkennen, kann für pflegende Angehörige enorm hilfreich sein – auch wenn man nicht alles lösen kann. Die Pflege sollte möglichst vertraut, strukturiert und individuell ablaufen. Beispielsweise kann Körperpflege für Menschen mit Demenz sehr intim und beängstigend sein –besonders, wenn sie den Sinn dahinter nicht mehr verstehen. Deshalb sind Geduld, ein ruhiger Tonfall und Blickkontakt so wichtig. Oft hilft es, einzelne Schritte verbal anzukündigen oder gemeinsam im Spiegel durchzuführen.

Welche Pflegeinterventionen gibt es zur Förderung der Selbständigkeit von Personen mit Demenz?
Ziel ist immer, vorhandene Ressourcen so lange wie möglich zu erhalten. Das heisst: Was die betroffene Person noch kann, soll sie auch tun dürfen – auch wenn es länger dauert oder Unterstützung braucht. Kleine Alltagsaufgaben wie das selbstständige Kämmen, Zähneputzen oder Anziehen sind wichtige Beiträge zur Selbstwirksamkeit. Rituale sind beispielsweise eine grosse Hilfe für Personen mit fortgeschrittener Demenzerkrankung. Auch Hilfsmittel können unterstützen: zum Beispiel farbige Markierungen, Bildanleitungen oder spezielle Kleidung, die das An- und Ausziehen erleichtert. Zusammenfassend würde ich sagen: durch kleine, bewältigbare Aufgaben ohne zu überfordern kann die Selbstständigkeit optimal gefördert werden.
Welche 3 Tipps gibst du Angehörigen von Personen mit Demenz?
Erstens: Schaffe eine Tagesstruktur mit festen Routinen. Wie bereits erwähnt, empfehle ich, mit Orientierungshilfen wie Schilder und Piktogramme Türen und Räume eindeutig zu kennzeichnen.
Zweitens: Eine wichtige Alltagshilfe ist angepasste Kommunikation: deutlich sprechen und kurze Sätze formulieren. Im fortgeschrittenen Demenz-Stadion hilft es sogar noch mehr, wenn Fragen geschlossen formuliert und mit «ja» oder «nein» beantwortet werden können.
Und drittens – Begegnen Sie der erkranken Person immer mit Respekt und Wertschätzung, unabhängig vom Verhalten.
Vielen Dank für die Ausführungen und Einblicke in die Pflege von Personen mit Demenz.
Zusammengefasst: In der häuslichen Pflege bei Demenz bedeutet «Pflege» Versorgung und Begleitung in Form von Ritualen und Hilfsmitteln im Alltag. Pflegende Angehörige von Personen mit Demenz sind also auf verschiedenen Ebenen gefordert. Carela unterstützt pflegende Angehörige dabei fachlich, finanziell und emotional: Mit emotionaler Begleitung, der Bereitstellung von Fachwissen und einer fairen Entlöhnung für ihre wertvolle Arbeit. Sobald die Belastung für die pflegenden Angehörigen jedoch zu hoch wird – emotional wie physisch – und erste Erschöpfungsanzeichen auftreten, gibt es verschiedene Entlastungsangebote wie beispielsweise Tageskliniken, die bei Altersheimen angegliedert sein können.