Zurück zu Blog & Medien

Leben mit Multipler Sklerose: Was sind Folgen für Betroffene und deren Angehörige? - Interview

Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Nervensystems. Die Folgen sind sichtbare sowie unsichtbare Einschränkungen und Behinderungen der betroffenen Personen. In der Schweiz geht man von rund 18'000 Betroffenen aus. Durch die unvorhersehbare und veränderbare Form der Krankheit verändert sich das Leben der Betroffenen und deren Angehörigen. Beratung und Unterstützung bieten die MS-Gesellschaft Schweiz und Carela. Im Interview erklärt Frau Bettina Arca-Tschudi, behandelnde Logopädin, Folgen und Möglichkeiten für Betroffene und Angehörige.

Frau Arca-Tschudi, können Sie etwas über Ihre Person, Ihre Erfahrung und Ihren persönlichen Bezug zu MS sagen?

Bettina Arca-Tschudi: Ich bin seit sieben Jahren als Logopädin in der Rehaklinik Zihlschlacht tätig und arbeiteregelmässig mit Patientinnen und Patienten, die an MS erkrankt sind. Die Arbeit mit dieser Patientengruppe liegt mir besonders am Herzen, da ich nicht nur beruflich, sondern auch privat Berührungspunkte mit der Erkrankung habe. Sowohl in meinem näheren als auch in meinem weiteren Umfeld gibt es Menschen, die mit MS leben. Diese persönlichen Erfahrungen haben mein Verständnis für die Herausforderungen, mit denen Betroffene konfrontiert sind, vertieft und meine Motivation gestärkt, sie logopädisch bestmöglich zu unterstützen.

Was bedeutet ein Leben mit MS für Betroffene?

Was ein Leben mit MS bedeutet, ist schwer zu pauschalisieren. Jede Erkrankung verläuft individuell. Für viele Betroffene heisst es jedoch, sich immer wieder auf neue Situationen einzustellen und flexibel auf körperliche und geistige Veränderungen zu reagieren. Ein ständiger Prozess des Anpassens und Umlernens. Gleichzeitig entwickeln sich Medizin und Forschung kontinuierlich weiter, sodass sich auch für die Betroffenen immer wieder neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffnen. Der «Lifestyle mit MS» rückt zunehmend in den Fokus. Dabei geht es nicht nur um medizinische Behandlung, sondern auch um Ernährung, Bewegung, mentale Gesundheit und soziale Teilhabe.

Gibt es Aspekte, welche die Beziehung zwischen Betroffenen und deren Angehörigen besonders belasten können?

Gerade zu Beginn kann der Umgang mit der Diagnose für alle Beteiligten eine grosse emotionale Belastung darstellen. Es entstehen Unsicherheiten, Ängste und viele offene Fragen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann das Spannungsfeld zwischen der Rolle als unterstützender Angehöriger und dem Wunsch, einfach nur Partner, Freund oder Familienmitglied zu sein, herausfordernd werden. Die Balance zwischen Nähe, Fürsorge und dem Erhalt einer gleichwertigen Beziehung ist herausfordernd. Besonders, wenn sich der Alltagzunehmend um Betreuung und Organisation dreht.

Welches sind Ihrer Erfahrung nach die grössten Herausforderungen für Angehörige von Menschen mit MS?

Eine der grössten Herausforderungen für Angehörige von Menschen mit MS ist vermutlich die Kombination von emotionalen und alltäglichen Belastungen. Der Umgang mit der Diagnose, das Mittragen des Krankheitsverlaufs und die Balance zwischen Betreuung und Beziehung fordern viel Kraft. Hinzu kommt, dass sich die eigene Rolle oft verändert. Die Selbstfürsorge kommt dabei oft zu kurz.

Welche Ratschläge haben Sie für pflegende Angehörige von Menschen mit MS?

Wichtig finde ich, dass pflegende Angehörige gut auf sich selbst achten. Der Austausch mit anderen in ähnlichen Situationen kann entlastend sein und das Gefühl vermitteln, nicht allein zu sein. Genauso wichtig ist es aber, auch Räume zu schaffen, in denen MS nicht im Mittelpunkt steht. Das können zum Beispiel Gespräche mit Freunden sein, die einfach guttun. Feste Zeiten für eigene Hobbys, Aktivitäten und Auszeiten helfen dabei, die eigene Kraft und Lebensfreude zu erhalten. Nur wer selbst gut für sich sorgt, kann auch dauerhaft für andere da sein.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten für MS-Betroffene und deren Angehörige kennen Sie?

Erfahrungsgemäss verfügen viele MS-Betroffene und ihre Angehörigen über tragfähige private Netzwerke, die im Alltag eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus bietet die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft umfassende Informationen, Beratung, Entlastungsangebote und Austauschmöglichkeiten für Erkrankte und Angehörige. Im therapeutischen Bereich leisten verschiedene Disziplinen einen wichtigen Beitrag. Über die jeweiligen Fachverbände können Therapeuten gesucht werden. Für die Logopädie stellt der Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband (DLV) über die jeweiligen Verbände der Kantone entsprechende Listen zur Verfügung.Stationäre Rehabilitationsaufenthalte sind ebenfalls eine wertvolle Ressource: Sie bieten nicht nur intensive, hochfrequente Therapie zur Förderung und zum Erhalt von Funktionen, sondern auch gezielte Beratung zu Hilfsmitteln, Alltagsstrategien und sozialrechtlichen Fragen.

Herzlichen Dank für Ihr Engagement und für dieses Interview!

Zusammengefasst: MS ist eine unvorhersehbare und sich mit der Zeit verändernde Nervenerkrankung, die das Leben der Betroffenen auf den Kopf stellt. Der Krankheitsverlauf ist individuell und kann psychische sowie physische Folgen haben. Betroffene sind somit auf die Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen, womit Letztere eine wichtige Rolle einnehmen. Wenn Angehörige die Grundpflege ihrer Liebsten zu Hause übernehmen, haben Sie das Recht auf Beratungsangebote der MS-Schweiz und auf fachliche, emotionale und finanzielle Unterstützung von Carela.

Sind Sie interessiert an Carela? Melden Sie sich bei uns