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Leben mit einer Hirnverletzung: Was bedeutet das für Betroffene und deren Angehörige? - Interview

Rund 130'000 Menschen in der Schweiz sind von Hirnverletzungen betroffen. Eine Verletzung des Gehirns kann körperliche sowie psychische Störungen nach sich ziehen. Aber nicht nur der Alltag der Verletzten ändert sich mit einer Hirnverletzung schlagartig - auch für die Angehörigen ist alles anders. Sie nehmen eine wichtige Rolle ein und brauchen dabei Unterstützung. Carela und FRAGILE Suisse bieten ergänzende Angebote für eine umfassende Beratung und Begleitung für Menschen mit Hirnverletzungen und deren Angehörige. Im Interview erklärt Yvonne Keller von FRAGILE Suisse ihre Unterstützungsprogramme.

Frau Keller, worum geht es bei FRAGILE Suisse und wie engagieren Sie sich?

Yvonne Keller: Die schweizerische Vereinigung für Menschen mit Hirnverletzung und dessen Angehörige, FRAGILE Suisse, unterstützt, informiert und begleitet die Verletzten und deren Familie in der herausfordernden Zeit nach einer Hirnverletzung. Ich bin Sozialarbeiterin FH und arbeite seit fast 5 Jahren bei FRAGILE Suisse. Ich habe gesehen, wie eine Hirnverletzung ein Leben verändern kann. Nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch das der Angehörigen und dem ganzen Umfeld. Meist ändert sich von einer Sekunde zur Nächsten alles. Es ist mir ein Anliegen, dass die Betroffenen und Angehörigen eine gute Beratung erhalten und über ihre Möglichkeiten informiert sind. FRAGILE Suisse bietet Beratung und Begleitung auf mehreren Ebenen und mit verschiedenen Angeboten.

Welches sind Ihrer Erfahrung nach die grössten Herausforderungen für Angehörige von Menschen mit Hirnverletzungen?

Angehörige wollen meist die beste Unterstützung und auch die besten medizinischen Möglichkeiten für ihre Liebsten. Plötzlich sind sie mit Fragen konfrontiert, welche zuvor nie ein Thema waren. Sie befinden sich in einem Dschungel von verschiedenen Themen, Versicherungsfragen und Vielem mehr. Auch ihr Leben verändert sich. Ich erlebe oft, dass Angehörige sich selbst vergessen und nur noch funktionieren. Eine gewisse Zeit ist das ok und auch verständlich. Aber damit die unterstützende Rolle ausgeführt werden kann, ist die Stabilisierung der Angehörigen entscheidend. Denn Sie tragen sehr viel für die Betroffenen. Darum denken wir – wie Carela auch – ist die Unterstützung der Angehörigen essenziell, damit auch die Angehörigen auf sich achten und die Grenzen der eigenen Kräfte nicht überschreiten.

Wie bieten Sie Angehörigen von Menschen mit Hirnverletzungen Hilfe?

Wir beziehen sie in die Beratung ein. Wir schauen, ob wir sie mit unseren Angeboten entlasten können. Ein Beispiel wäre unser Angebot "Bewo" (Wohnbegleitung). FRAGILE Suisse und die Regionalvereinigungen bieten Selbsthilfegruppen und Austauschmöglichkeiten zwischen den Angehörigen an. Zudem haben wir diverse Broschüren mit wissenswerten und unterstützenden Inhalten. Für uns ist es wichtig, dass die Angehörigen sich nicht alleine fühlen und Ansprechpersonen für jede Frage haben.

Da ergänzen sich das Angebot von Carela und das von FRAGILE Suisse sehr schön! Wofür steht das Angebot LOTSE?

Mit dem Angebot LOTSE versuchen wir, nach dem Klinikaufenthalt die Sozialberatung weiterzuführen, welche zuvor durch die Klinik angeboten wurde. Die Betroffenen und Angehörigen können so im ganzen Prozess begleitet und unterstützt werden. Wir melden uns aktiv ca. alle 3 Monate bei ihnen und fragen nach, wie es den Verletzten und Angehörigen geht und ob Fragen aufgekommen sind. Idealerweise können so Schwierigkeiten früh erkannt und bei Bedarf schnell reagiert werden. Wir sind eine neutrale Stelle, die versucht, das Interesse der Betroffenen und ihrer Angehörigen bei den Vorgaben der Gesellschaften (z.B. Versicherungen) zu integrieren.  Auch wenn dies leider nicht immer möglich ist, konnten wir so doch schon einige Krisensituationen auffangen und abwenden. Die ersten zwei Jahre nach einer Hirnverletzung sind versicherungstechnisch sehr wichtig, weshalb wir versuchen, einen optimalen Übergang von stationärem zu ambulantem Setting zu ermöglichen.

Welches sind die wichtigsten Wünsche von FRAGILE Suisse an die Gesellschaft?

FRAGILE Suisse wünscht sich mehr Aufklärung und Verständnis für die Folgen von Hirnverletzungen. Diese sind zu wenig bekannt und werden oft mit anderen Beeinträchtigungen verglichen, was den Betroffenen nicht gerecht wird. Insbesondere aufgrund der vielen unterschiedlichen – nicht selten unsichtbaren – Folgen sind Hirnverletzungen nur schwer greifbar. Dies führt dazu, dass Betroffene auf wenig Verständnis und teilweise sogar auf Ausgrenzung stossen. Um die Bevölkerung zu sensibilisieren und das Verständnis auf allen Ebenen zu fördern, setzen wir uns deshalb mit aktiver Medien- und Informationsarbeit ein und geben Menschen mit Hirnverletzung eine Stimme in der Öffentlichkeit.

Herzlichen Dank für Ihr Engagement und für dieses Interview!

Zusammengefasst: Die Folgen einer Hirnverletzung können zu körperlichen, kognitiven, emotionalen und sozialen Beeinträchtigungen führen. Nicht alle sind sicht- und nachvollziehbar, und so wird der Umgang mit der Situation schwierig, sowohl für Betroffene als auch deren Angehörige. Oftmals übernehmen Angehörige einen Teil der Grundpflege ihrer Liebsten mit einer Hirnverletzung zu Hause. In diesem Fall haben sie ein Recht auf fachliche, finanzielle und emotionale Unterstützung von Carela.  

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