Carela in den Medien: «Wir können keine Fantasiewerte abrechnen»

Bericht: Regula Weik, St. Galler Tagblatt vom 16. Oktober 2025

Nach der Veröffentlichung des Bundesratsberichts zur Angehörigenpflege hat das St. Galler Tagblatt bei Carela eine Stellungnahme erfragt. Die Mitglieder der Geschäftsführung, Nadine Lüdecke und Azra Karabegovic, haben auf Fragen Antworten gegeben und zu Aussagen Stellung bezogen.

Private Spitex-Firma wehrt sich gegen Abzocker-Vorwürfe, fordert klare Regelungen und gibt Einblick in ihre Arbeit.

Immer mehr Personen pflegen ihre schwerkranken, dementen oder gebrechlichen Partner, Kinder oder Eltern. Das Bundesamt für Gesundheit schätzt ihre Zahl landesweit auf rund 600’000. Lange Zeit leisteten Angehörige diese Pflegearbeit gratis. Nun können sie sich dafür bezahlen lassen. Allerdings nur, wenn sie bei einer Spitex-Firma unter Vertrag sind. Dass sich Angehörige ohne Fachausbildung anstellen lassen können, ist ein neues Modell. Es geht auf einen Bundesgerichtsentscheid von 2019 zurück. Seit einiger Zeit gerät es politisch immer stärker unter Druck. Wegen der Kosten. Die Angehörigenpflege ist ein Geschäftsmodell geworden. In den vergangenen Jahren sind immer mehr private Spitex-Firmen entstanden, die sich auf die Anstellung pflegender Angehöriger spezialisiert haben. Kritikerinnen und Kritiker werfen ihnen vor, mit den pflegenden Angehörigen sehr viel Geld zu verdienen. Das Ganze ufere aus, die Kosten müssten eingedämmt werden. Auf nationaler und kantonaler Ebene sind Politikerinnen und Politiker aktiv geworden. «Immer mehr Firmen verdienen auf Kosten der Angehörigenpflege kräftig mit», kritisierte kürzlich die St.Galler Mitte. «Abzockerfirmen in der Angehörigenpflege stoppen» war ihre Medienmitteilung überschrieben. «Goldesel für private Spitex-Firmen», «Umstrittene private Spitex-Firmen» hatten frühere Vorstösse im Kantonsparlament gelautet.

Mit Angehörigen Pflegeplanung erstellen

Azra Karabegovic, Co-Geschäftsführerin und Leiterin Pflege von Carela, hört die Vorwürfe nicht zum ersten Mal. Das auf pflegende Angehörige spezialisierte Unternehmen nahm im Herbst 2023 den Betrieb auf. Es ist heute in zehn Kantonen tätig, darunter auch St.Gallen. Es zählt knapp 90 Kundinnen und Kunden, um die sich zehn Pflegefachpersonen kümmern. «Wir sind ein kleiner Player in der Branche», sagt Karabegovic. Trotzdem ärgert sie die Kritik – und schon beginnt sie zu erzählen. «Wir investieren viel, um unsere pflegenden Angehörigen optimal zu begleiten und zu schulen», sagt die ausgebildete Pflegefachfrau, die im Bereich Pflege doktoriert. Gerade in den ersten Monaten sei dies ein grosser Aufwand. Die Mitarbeiterinnen gehen zu den Pflegebedürftigen nach Hause, schauen sich deren Situation an und wie sie von den Angehörigen betreut werden. «Dann wird gemeinsam mit den Angehörigen eine Pflegeplanung erstellt», erklärt Karabegovic. Die pflegenden Angehörigen erhalten dann ein Tablet mit Spitex-Software, auf dem sie jeden Tag einen Verlaufsbericht schreiben. Auf den monatlichen Hausbesuchen bespricht die für den Fall verantwortliche Pflegefachperson mit den Angehörigen die Berichte, Veränderungen der Pflegebedürftigen und gibt ihnen Tipps für die Arbeit, auch für Hilfsmittel. Karabegovic sagt: «Wir wollen nicht nur finanzielle, sondern auch fachliche und emotionale Unterstützung bieten.»

«Destruktiv und respektlos»

Gewinn erwirtschaftet Carela noch keinen. Karabegovic sagt: «Wir bekommen keine Kunden zugewiesen, wir müssen um sie werben, wir haben keinen Leistungsauftrag und auch keine Defizitgarantie. Wenn wir Ende Jahr rote Zahlen schreiben, müssen wir einen Kredit aufnehmen.» Ist das Abzocker-Image in Politik und Öffentlichkeit wirklich so falsch? «Natürlich gibt es Firmen, die schnell wachsen. Da frage ich mich manchmal auch, wie lange das gutgeht», antwortet die Co-Geschäftsführerin. Dann fügt sie an: «Ich finde das ewige Mit-dem-Finger-auf-uns-Zeigen destruktiv und respektlos gegenüber unserer Arbeit. Wir machen es nicht falsch, wir machen es anders.» Wie erklärt sich Carela die Vorwürfe, private Spitex-Firmen setzten den Pflegebedarf oft zu hoch an und verrechneten Pflegestunden, die gar nicht nötig sind? Die Angehörigenpflege sei nicht 1:1 mit der klassischen Spitex-Arbeit vergleichbar, erklärt Co-Geschäftsführerin Nadine Lüdecke. Angehörigenpflege sei in den meisten Fällen Langzeitpflege. «Unsere Klienten und Klientinnen sind meist chronisch krank, daher resultieren pro Person mehr Pflegestunden», so Lüdecke und sie ergänzt: «Unsere Pflegefachfrauen wissen, wie viel Aufwand welche Pflegeleistung erfordert und begleiten die Familien eng. Die Krankenkassen funktionieren als zusätzliches Kontrollorgan. Es können keine Fantasiewerte abgerechnet werden.» Und: Es findet auch immer ein Vorgespräch statt. «Wenn sich da zeigt, dass kein Pflegebedarf besteht, sondern Haushaltshilfe genügt, lehnen wir eine Anstellung ab», sagt Karabegovic. So wie sie jene Frau abgewiesen hätten, die Geld dafür wollte, dass sie ihren Partner nach einer Schulteroperation drei Wochen im Alltag unterstützt.

Offen für klare Regelungen

Die beiden Co-Geschäftsführerinnen sind offen für klare Regeln, wie sie auch der nationale Verband der privaten Spitex-Organisationen fordert. Es sei wichtig und richtig, dass genau hingeschaut wird. «Aber Anpassungen bei der Finanzierung müssen auf Fakten basieren und nicht auf Annahmen», sagt Lüdecke. Der Bundesrat hatte angekündigt, die Praxis genau zu analysieren. Am Mittwoch hat er nun den Bericht vorgelegt. Nach einer ersten Reaktion gefragt antwortet Lüdecke: «Wir begrüssen die umfassende Analyse aus rechtlicher und praktischer Sicht, insbesondere auch die Empfehlungen bezüglich datenbasierter Entscheidungen.» Reagiert haben bereits einzelne Kantone. Zürich begrenzt den Restkostenbetrag für die Gemeinden in der Angehörigenpflege auf 15.75 Franken pro Stunde – halb so viel wie bisher. Zürich unterscheidet damit neu zwischen pflegenden Angehörigen und ausgebildetem Spitex-Personal. Gleichzeitig führt der Kanton eine Kurspflicht für Angehörige ein– «diese beiden Änderungen widersprechen sich», sagt Karabegovic. In Appenzell Ausserrhoden gilt ab nächstem Jahr ebenfalls ein separater, tieferer Ansatz für pflegende Angehörige. Wie ist die Situation im Kanton St.Gallen? «Er überarbeitet derzeit das Gesundheitsgesetz und analysiert die Daten sehr genau, um dann faktenbasiert zu entscheiden», sagt Lüdecke. Was bedeutet der Zürcher Entscheid für Carela? Das Unternehmen beschäftigt zurzeit am meisten pflegende Angehörige in Zürich und im Aargau, am drittmeisten hat es aus dem Kanton St. Gallen angestellt. «Die Kürzungen treffen uns», antwortet Karabegovic. Wie stark genau sei derzeit noch offen. Klar ist für sie: «Angehörigenpflege ist Laienpflege. Wir werden bei der Begleitung, Betreuung und Schulung der pflegenden Angehörigen nicht sparen. Die Qualität ihrer Arbeit darf nicht leiden.»

Zeitungsausschnitt im St. Galler Tagblatt über Angehörigenpflege
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