Carela in den Medien: Im Schatten der Liebe: «Angehörigenpflege muss als Arbeit anerkannt werden»
Aarauer Zeitung vom 28.02.2025
Fotos: zvg, Carela AG
In der Schweiz kümmern sich rund 600'000 Menschen um ihre pflegebedürftigen Angehörigen – oft selbstlos und unentgeltlich. Die wenigsten pflegenden Angehörigen wissen, dass sie ein Recht auf Unterstützung haben oder trauen sich nicht, Hilfe anzunehmen. Azra Karabegovic ist Pflegewissenschaftlerin und unterstützt mit dem Unternehmen Carela AG pflegende Angehörige unter anderem in der Nordwestschweiz. Sie erklärt, welche Rechte einem zustehen und weshalb es essenziell ist, Hilfe anzunehmen.
Frau Karabegovic, wer gilt als pflegende Angehörige?
Als pflegende Angehörige werden Personen bezeichnet, die nahestehende Personen regelmässig und substanziell in der Grundpflege unterstützen - etwa beim Duschen/Waschen, Anziehen, Toilettengang oder Essen. Der Verwandtschaftsgrad ist dabei nicht entscheidend. Es gibt zum Beispiel auch Freundinnen oder Nachbarn, die eine pflegebedürftige Person zu Hause pflegen.
Ist das nicht die Aufgabe der Spitex?
Das ist eine Möglichkeit. Es gibt aber zahlreiche Menschen, die auf die Spitex-Dienste verzichtet – sei es aus persönlichen, kulturellen oder praktischen Gründen. Oft springen Angehörige ein, weil die Spitex nicht flexibel genug ist, etwa wenn jemand mehrfach täglich Unterstützung beim Toilettengang benötigt oder die Pflege nicht immer zur gleichen Zeit möglich ist. Besonders bei Erkrankungen wie Demenz, MS, ALS, Parkinson oder pflegebedürftigen Kindern übernehmen Angehörige fast immer einen Teil der Grundpflege.
Eine wertvolle, aber belastende Aufgabe…
Ja, definitiv. In den allermeisten Fällen ist es pflegerisch absolut sinnvoll und im Sinne der pflegebedürftigen Person. Aber Angehörige zu pflegen ist körperlich und emotional anstrengend. Wer es noch nie erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, wie fordernd diese (eigentlich) schöne Aufgabe teilweise sein kann. Entsprechend verdient diese Form der Fürsorge höchste Hochachtung und Unterstützung.
Damit pflegende Angehörige nicht an ihre Grenzen geraten, brauchen sie Unterstützung – durch Schulung, emotionale Begleitung und eine angemessene Entschädigung. Denn: Angehörigenpflege ist Arbeit. Seit einem Bundesgerichtsurteil von 2019 kann sie als solche auch im Stundenlohn vergütet werden.
Geld bekommen für die Pflege der eigenen Angehörigen?
Viele betrachten Angehörigenpflege als Akt der Nächstenliebe. Das ist löblich. Doch wer seinen Job reduziert, um ein Familienmitglied zu pflegen, übernimmt eine Leistung, die sonst angestellte oder freischaffende Fachpersonen erbringen würden – warum sollte das nicht entlöhnt werden? Deshalb haben pflegende Angehörige ein Recht auf einen Stundenlohn – das hat das Bundesgericht 2019 entschieden. Bei uns erhalten pflegende Angehörige CHF 35.30/ Stunde.
Doch Geld allein reicht nicht: Wir kennen beispielsweise den Fall einer Frau, die jahrelang ihren Bruder mit Parkinson pflegte – bis sie selbst pflegebedürftig wurde, weil sie sich überlastet hatte. Deshalb begleiten unsere Pflegefachpersonen jede und jeden pflegenden Angehörigen individuell und beurteilen die Situationen regelmässig: Sie geben fachliche Hilfestellung und evaluieren, ob die pflegenden Angehörigen emotional in der Lage sind, die Rolle wahrzunehmen. Nur wenn pflegende Angehörige selbst gesund und stabil sind, können sie auch die beste Pflege für ihre Liebsten gewährleisten. Deshalb ist Selbstfürsorge keine Selbstsucht, sondern eine Voraussetzung für qualitativ gute Pflege.
Der Beitrag ist nur in analoger Ausgabe der Aarauer Zeitung erhältlich, weshalb hier keine Verlinkung möglich ist.