Zurück zu Blog & Medien

Carela in den Medien: Chefin von Spitex-Firma wehrt sich gegen Vorwürfe - «Da wird eine ganze Branche unter Generalverdacht gestellt»

Interview: Gregory Remez, Luzerner Zeitung vom 14.11.2024

Fotos: Andrea Zahler

Die Zahl privater Spitex-Firmen, die pflegende Angehörige anstellen, ist zuletzt stark gewachsen. Kritiker sprechen von einem boomenden Markt und lukrativen Geschäften. Eine Geschäftsführerin nimmt nun ausführlich Stellung. Sie sieht ihre Branche zu Unrecht am Pranger.

Private Spitex-Organisationen standen zuletzt stark in der Kritik. Die Caritas, der Krankenkassenverband Santésuisse, aber auch die öffentliche Spitex werfen den Privaten vor, zu hohe Gewinnmargen zu kassieren. Finden Sie das gerechtfertigt?

Azra Karabegovic: Ich finde Kritik immer gerechtfertigt, wenn sie konstruktiv ist. Leider war das zuletzt nicht unbedingt der Fall. Da wurden Aspekte vermischt und Anbieter in den gleichen Topf geworfen. Natürlich gibt es wie in jeder Branche jene, die das System ausnutzen. Doch die Angehörigenpflege ist inzwischen ein systemrelevanter Teil des Gesundheitswesens. Ich kann daher nicht verstehen, warum pflegende Angehörige plötzlich stigmatisiert werden, nur weil sie für einen kleinen Teil ihrer Arbeit entlöhnt werden.

Die geäusserte Kritik gilt ja nicht den pflegenden Angehörigen, sondern den Firmen, die diese anstellen.

Unsere Erfahrung ist leider eine andere. Wir erhalten Anrufe von Menschen, die ein schlechtes Gewissen haben, dass sie für die Pflege von Angehörigen Geld erhalten. Einige werden dafür von ihrem Umfeld kritisiert. Das kann nicht sein. Die negativen Medienberichte der letzten Monate haben dazu geführt, dass die gesamte Branche unter Generalverdacht gestellt wird. Auch ich habe das schon zu spüren bekommen, in Form von gehässigen bis rassistischen Kommentaren.

Nochmals: Die Kritik kam nicht von den Medien, sondern von etablierten Akteuren des Gesundheitswesens, und richtete sich an private Spitex-Organisationen, die sich vermeintlich zu hohe Gewinne auszahlen.

Man sollte immer differenzieren, woher die Kritik kommt und welche Interessen dahinter stehen. Den Pauschalvorwurf, dass sich Spitex-Organisationen zu viel Gewinn auszahlen, kann ich nicht nachvollziehen. Er basiert auf reinen Vermutungen. Beweise oder Zahlen dafür werden nicht vorgelegt.

Weil die Firmen ihre Finanzierungsmodelle nicht offenlegen möchten. Genau diese Intransparenz ist einer der Kritikpunkte.

Ich kann nicht für andere sprechen, aber wir sind diesbezüglich sehr transparent. Unsere angestrebte Marge auf Stufe Ebitda beträgt 10 bis 12 Prozent. Wenn wir diese erreichen, erachten wir uns als gesundes Unternehmen mit Investitionsmöglichkeiten. Auch können wir unsere Lohn- und Betriebskosten genau aufschlüsseln. Hier erschliesst sich mir beispielsweise nicht, warum wir tiefere Kosten haben sollten als andere Leistungserbringer in dem Bereich wie etwa die Caritas.

Nun, die Caritas ist eine Non-Profit-Organisation. Sie beruft sich darauf, potenzielle Gewinne zu reinvestieren.

Wir tun genau dasselbe. Auch halte ich die Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Spitex für obsolet. Beide stellen Angehörige an, unterliegen denselben Bewilligungsverfahren sowie Qualitätsprüfungen und haben identische Einnahmen. Das heisst, sie erhalten die gleichen Beiträge von Krankenkassen, Gemeinden und Patienten.

Die öffentliche Spitex hat hohe Infrastrukturausgaben, etwa für die Mieten der vielen Standorte oder die Dienstfahrzeuge. Die Privaten können sich dagegen viel schlanker aufstellen, haben meist keine Praxis und kaum Anfahrtskosten.

Das ist ein grosses Missverständnis. Die pflegenden Angehörigen verursachen natürlich kaum Wegkosten, weil die meisten zu Hause pflegen. Die begleitenden Pflegefachpersonen dafür aber umso mehr, weil ihre Wege viel länger sind als bei der lokalen Spitex. Zudem haben wir höhere IT-Ausgaben. Weil unsere Pflegefachpersonen ständig unterwegs sind, stellen wir allen persönliche Firmenlaptops und -handys zur Verfügung. Und unsere pflegenden Angehörigen erhalten ein Tablet für die Erfassung ihrer Pflegeleistungen. All diese Geräte müssen stets auf aktuellem Sicherheitsstand gehalten werden, was zusätzliche Ausgaben erfordert. Über Dauer dürften sich die Kosten also ausgleichen.

Dass pflegende Angehörige für ihre Arbeit entlöhnt werden, ist überhaupt erst seit einem Bundesgerichtsurteil von 2019 möglich. Seither ist die Zahl der Firmen in diesem Bereich förmlich explodiert. Ist das nicht ein Indiz dafür, dass viele ein lukratives Geschäft wittern?

Für einige stimmt das vielleicht. Diese dürften aber schnell merken, dass es weit mehr braucht, als ein paar pflegende Angehörige einzustellen und sich einfach die Differenz zwischen Lohnkosten und Einnahmen auszuzahlen. Vielmehr deute ich die Zunahme solcher Organisationen als Zeichen für eine grosse Nachfrage in dem Bereich. Diese Firmen stellen Dienstleistungen bereit, die auf ein grosses Bedürfnis in der Bevölkerung treffen und von der traditionellen Spitex nicht geleistet werden können.

Der Verband der privaten Spitex-Organisationen ASPS, zu dem auch Carela gehört, hat jüngst einen Code of Conduct herausgegeben und unter anderem festgehalten, dass es bei der Finanzierung wohl «Anpassungen nach unten» brauche. Das ist doch ein klares Eingeständnis, dass etwas nicht stimmt.

Von dieser Aussage waren auch wir etwas überrascht. Der Code of Conduct wurde von einer Arbeitsgruppe zusammengetragen, an der wir nicht beteiligt waren. Vieles darin haben wir bei uns aber ohnehin bereits umgesetzt, etwa in Sachen Betreuungsschlüssel. Dieser sieht nicht mehr als 24 pflegende Angehörige auf eine begleitende Pflegefachperson vor. Hier gilt es übrigens zu beachten, dass wir erst seit Mai 2024 wirklich aktiv sind und mit 40 betreuten Familien noch zu den Kleineren der Branche gehören.

Und in Sachen Finanzierung, wo könnte da Ihrer Ansicht nach am meisten geschraubt werden? Könnte etwa die Restkostenfinanzierung von den Gemeinden reduziert werden, wie dies in manchen Motionen gefordert wird?

In der Diskussion rund um die Kosten ist viel Polemik drin. Laut Santésuisse entstanden im ersten Halbjahr 2024 Kosten von rund 50 Millionen Franken; damit macht die Angehörigenpflege gerade mal 0,1 Prozent der Gesamtkosten des Schweizer Gesundheitswesens aus. Zur Reduktion der Restkostenfinanzierung: Eine solche hätte direkte Auswirkungen auf unsere Bilanz. Wir hätten dann weniger Geld für den Firmenaufbau sowie weitere Investitionen, etwa in bessere Pensionskassenbedingungen für unsere Mitarbeitenden.

Es heisst, es sei heute relativ einfach, eine Spitex-Lizenz zu erhalten. Bräuchte es allenfalls höhere Eintrittsschwellen in diesen noch jungen Markt, um Missbräuche zu verhindern? Das dürfte doch im Sinne aller seriös wirtschaftenden Firmen sein.

Die Verfahren, um eine Lizenz zu erhalten, sind sowohl für öffentliche als auch private Spitex-Organisationen gleich und in meinen Augen ausreichend. Ich bin skeptisch gegenüber weiteren bürokratischen Hürden. Eher appelliere ich an alle Interessierten, sich gut zu informieren. Es ist ja niemand gezwungen, sich für eine bestimmte Spitex-Organisation zu entscheiden.

Höhere Qualitätsstandards und mehr Transparenz würden den Entscheid aber für alle einfacher machen.

Das sehen wir auch so. Deshalb unterstützen wir die Bemühungen des Verbands für mehr Qualität und Transparenz innerhalb der Branche.

Was braucht es sonst noch, damit die Angehörigenpflege besser funktioniert und alle Beteiligten einen fairen Anteil erhalten?

Bei allen Diskussionen rund um Kosten und Finanzierung sollte man das Wichtigste nicht aus den Augen verlieren. Wir stellen keine Waschmaschinen her, sondern helfen Menschen. Dazu braucht es fachliche und emotionale Begleitung. Wer das noch nie erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, welcher Belastung pflegende Angehörige tagtäglich ausgesetzt sind. Wir plädieren daher für ein integratives Modell, bei dem möglichst alle Akteure aus dem Gesundheitswesen zusammenarbeiten, damit die Angehörigenpflege als wichtiger Teil des Systems anerkannt wird.

Hiergelangen Sie zum Originalartikel: Carela: Chefin von privater Spitex-Firmawehrt sich gegen Kritik

Sind Sie interessiert an Carela? Melden Sie sich bei uns