Alltag mit Multipler Sklerose: Tipps für pflegende Angehörige

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische, unheilbare Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu vielfältigen Einschränkungen und Behinderungen der betroffenen Personen führen kann. Die Prognose der Krankheit ist oft schwierig, da der Verlauf von MS bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Ebenso individuell sind deshalb auch die MS-Therapie- und Behandlungsansätze. Um das Leben mit MS für Betroffene bestmöglich zu gestalten, ist die Betreuung und Pflege zu Hause von grosser Bedeutung. Diese Aufgabe wird oft von pflegenden Angehörigen übernommen. Zusammen mit Constanze Spelters, diplomierte Pflegefachperson HF bei Carela, schauen wir uns den Pflegealltag mit MS an.

Die Symptome der Erkrankung sind vielfältig, von Erschöpfung («Fatigue»), Tremor, kognitiven Einschränkungen bis hin zu Aufmerksamkeitsstörungen ist Verschiedenes dabei. Die Diagnose MS bedeutet für den Alltag der Betroffenen insbesondere, dass sich ihre geistige und körperliche Situation von einem Tag zum nächsten verändern kann, was sich auch auf die Interaktionen mit dem Umfeld auswirkt. Es ist daher sowohl für die pflegebedürftigen Betroffenen sowie ihre pflegenden Angehörigen zentral, auf Veränderungen flexibel reagieren zu können.

Pflegealltag bei MS: immer im Wandel

Mit dem Fortschreiten der Krankheit ändert sich auch der individuelle Pflegebedarf. Neben Grundpflegeleistungen wie Körperpflege, An- und Auskleiden, Hilfe beim Toilettengang, Mobilisation sowie Essensunterstützung kommen je nach Situation auch verschiedene Betreuungsleistungen dazu: Einkaufen, Kochen, Putzen, emotionale Begleitung, administrative Arbeiten, Korrespondenz mit Arztpersonen und Fachstellen sowie Organisation von Tagesstruktur. Darüber hinaus gibt es Pflegeleistungen für MS-Patienten und -Patientinnen, für die pflegende Angehörige jeweils die Einführung einer professionellen Pflegefachperson brauchen. Dazu gehört die Verabreichung von Medikamenten, Überprüfung von Symptomen, Kontrolle von Nebenwirkungen und Hautveränderungen sowie die Unterstützung bei Infusionen. Welche Leistungen pflegende Angehörige übernehmen können oder müssen, hängt stark vom Verlauf und Schweregrad der Erkrankung ab.  «Bei MS beginnt die grundpflegerische Unterstützung meistens mit der Hilfe bei der Mobilität, insbesondere um Stürze zu vermeiden. Kraft und Koordination der Beine können plötzlich nachlassen, wodurch die betroffenen Personen stark gefährdet sind, zu fallen und sich zu verletzen», hebt Constanze hervor. «Angehörige helfen zum Beispiel beim Aufstehen, beim Gehen oder bei der Nutzung von Hilfsmitteln wie Rollstuhl oder Gehhilfen und im späteren Verlauf der Erkrankung unterstützen sie bei Transfers oder übernehmen diese gänzlich.»

Besondere Aspekte bei der Betreuung und Pflege von Personen mit MS

Bei der Grundpflege von Personen mit MS muss besonders auf die wechselnden Symptome geachtet werden. Die Krankheit schreitet in sogenannten «Schüben» voran. Ein «MS-Schub» ist das Auftreten neuer neurologischer Symptome oder die Verschlechterung bestehender Symptome, die mindestens 24 Stunden andauern. Sie können die Situation der MS-Betroffenen verändern und Anpassungen in der Pflege verlangen. «Eine plötzliche Verschlechterung der MS - Symptome kann verschiedenste Ursachen haben», berichtet Constanze. «Vor allem Infektionen, beispielsweise eine Harnwegsinfektion oder eine Erkältung belasten das Immunsystem. Auch emotionaler oder psychischer Stress kann den Krankheitsverlauf beeinflussen. Wichtig ist, dass die verordneten Medikamente regelmässig eingenommen werden und nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt geändert oder sogar abgesetzt werden. Als weitere Faktoren werden Umwelteinflüsse und Nährstoffmangel als mögliche Auslöser für einen Schub diskutiert.» Für die Pflege von Personen mit MS bedeutet dies, psychischen Stress so weit wie möglich gering zu halten, die Aufnahme von ausreichenden Nährstoffen sicherzustellen und Infektionsrisiken zu minimieren.

Ein ebenfalls häufiges Symptom bei MS-Betroffenen ist die sogenannte «Fatigue», eine übermässige Müdigkeit oder Erschöpfung, die eine umsichtige Planung der Aktivitäten fordert, um Überanstrengung der MS-Betroffenen zu vermeiden. Was dies für die Pflege bedeutet, erklärt Constanze wie folgt: «Eine gute Schlafhygiene und ein kurzer Mittagschlaf bzw. Ruhepausen können helfen, besser mit Fatigue umzugehen. Auch das Energiemanagement ist wichtig: das bedeutet, gut abzuwägen, was an diesem Tag bewältigt werden kann und was lieber verschoben werden sollte. Es hilft, den Tag so zu planen, dass die wichtigste Aufgabe des Tages zuerst erledigt wird und bei noch vorhandener Energie die weniger wichtigen Dinge angegangen werden. Wie für alle Menschen sind auch bei MS-Betroffenen gesunde Ernährung, Stressreduktion, ausreichend Trinken und Bewegung wichtig.

Hilfe im Alltag durch Physio- und Ergotherapie

Bei allen MS-Verläufen ist es wichtig, die körperliche Aktivität so weit wie möglich aufrechtzuerhalten, weil sie zur Erhaltung von Selbstständigkeit, Lebensqualität und Mobilität beiträgt. Insbesondere empfiehlt es sich, so früh wie möglich mit Physiotherapie zu starten, auch vor den ersten körperlichen Beschwerden. Das Ziel dabei ist die frühzeitige Reduktion von späteren Einschränkungen. Körperliche Aktivität ist somit sozusagen eine «Hilfe zur Selbsthilfe». Pflegende Angehörige sollen dies als eine Priorität im Pflegealltag sehen. Sie können bei dieser wichtigen Alltagskomponente Hilfe leisten, indem sie ihre Liebsten einerseits zur stationären Therapie begleiten und andererseits, indem sie die Betroffenen im Glauben bestärken, dass diese wichtig ist und sie dazu animieren, die Übungen auch zu Hause regelmässig durchzuführen. Constanze unterstreicht dies mit ihrer Erfahrung: «Regelmässige Bewegung hilft dabei, die bestehende Muskelkraft zu erhalten und zu fördern. Zudem helfen gezielte Übungen, das Gleichgewicht und die Koordination zu trainieren. Die betroffene Person kann ihre Selbständigkeit länger bewahren und Bewegung wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Auch reduzieren körperliche Aktivitäten die anhaltende Müdigkeit. Wichtig ist auch, dass eine Fachkraft, wie zum Beispiel Physiotherapeut*innen, einbezogen wird.»

grafische Darstellung von Therapieformen für Personen mit MS

Als diplomierte Pflegefachperson möchte Constanze pflegenden Angehörigen von Personen mit MS folgende Tipps mit auf den Weg geben:

«Erstens: Geduld haben. MS ist eine unvorhersehbare Erkrankung und die Fähigkeiten der Betroffenen unterliegen starken Tagesschwankungen. Zweitens: Gut informiert sein. je mehr man über die Erkrankung weiss, desto besser kann man auf Symptome und die täglichen Herausforderungen eingehen. Drittens: Kommunikation. eigene Grenzen kennen und Hilfe in Anspruch nehmen. Viertens: Vernetzung. Austausch mit anderen Betroffenen und Vereinen suchen. Der Kontakt mit anderen, egal ob MS-Erkrankten oder pflegenden Angehörigen, ist oft eine hilfreiche Ressource für den Austausch von Erfahrungen, Informationen oder Tipps. Zudem werden dadurch Gefühle wie Einsamkeit und Hilflosigkeit verringert.»

Zusammengefasst: Die Pflege von Menschen mit Multipler Sklerose zu Hause ist eine Aufgabe, die viel Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordert. Mit umfassenden Informationen, der richtigen Unterstützung und einem starken Fokus auf die Förderung der Selbständigkeit kann das Leben mit MS für alle Beteiligten sicher und so erfüllend wie möglich gestaltet werden. Carela berät und unterstützt pflegende Angehörige hierzu gerne und unverbindlich. Weiter können sich Angehörige von Personen mit MS und die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft wenden.

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